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24.9.2012
Ein weißer Fleck weniger - Neue Forschungen beschäftigen sich mit der DDR-Militärjustiz -
Von Anne-Dorle Hoffgaard (epd)
Der DDR-Militärstrafvollzug im vorpommerschen Berndshof bei Ueckermünde wurde lange Zeit nicht erforscht. Jetzt gibt es eine Untersuchung zum Thema. Einige Ergebnisse sollen am Dienstag bei einem Häftlingstreffen in Bützow vorgestellt werden.
Ueckermünde/Bützow (epd). Das DDR-Militärgefängnis im brandenburgischen Schwedt ist vielen ein Begriff, doch sein Vorläufer in Berndshof ist kaum bekannt. Dabei verbüßten hier auch bekannte Männer ihre Haft, weil sie den Dienst an der Waffe, den Fahneneid oder die Arbeit an Militärobjekten verweigerten. Zu ihnen gehören der evangelische Pfarrer und frühere CDU-Politiker Rainer Eppelmann und der Ehemann der verstorbenen SPD-Politikerin Regine Hildebrandt, Jörg Hildebrandt.
Der Historiker Hans-Hermann Dirksen aus Hessen und Falk Bersch aus Gägelow bei Wismar, der sich bereits seit Jahren mit Regionalgeschichte befasst, haben jetzt in einem Projekt der Stasi-Landesbeauftragten Mecklenburg-Vorpommerns die Geschichte von Berndshof erforscht. Die Ergebnisse sollen voraussichtlich Ende des Jahres veröffentlicht werden, sagt die stellvertretende Landesbeauftragte Anne Drescher.
Allein zwischen 1954 und 1959 wurden in Berndshof nach Angaben von Bersch 3.177 Häftlinge eingeliefert, darunter etwa 900 Angehörige der bewaffneten Organe der DDR. Jeder vierte der Häftlinge habe aus politischen Gründen eingesessen.
Nach kurzer Schließung 1963 hat das Ministerium für Nationale Verteidigung in Berndshof einen geeigneten Ort für ein geplantes Militärstraflager gefunden, das Gefängnis wurde wieder eröffnet. 1967 seien dann sämtliche Militärstrafgefangenen in die neue Einrichtung in Schwedt verlegt worden, die zentrale Militär-Haftanstalt bis zum Ende der DDR, sagt Bersch. Die Einrichtung in Berndshof wurde danach nur noch für den allgemeinen Strafvollzug genutzt und im Mai 2009 geschlossen.
Zu den Besonderheiten des Militärstrafvollzugs in Berndshof gehöre, dass neben "normalen" Militärstrafgefangenen und Arrestanten auch einige Christen inhaftiert waren, die den Wehrdienst oder den ersatzweisen Bausoldatendienst aus Glaubens- und Gewissensgründen verweigerten, sagt Falk Bersch. Sie stehen im Mittelpunkt der neuen Forschungen.
So verbüßten dort zwischen 1964 und 1967 insgesamt 21 Bausoldaten eine Strafe, darunter Eppelmann und Hildebrandt. Eine weitere Gruppe waren 150 Wehrdienstverweigerer, in der Mehrzahl Zeugen Jehovas, die auch den Bausoldatendienst abgelehnt hatten. In Berndshof habe man versucht, aus ihnen Soldaten zu machen, "ein Unterfangen, das gründlich misslang", sagt Bersch. Sie hätten Exerzierübungen verweigert und wurden dafür auch im Winter mit stundenlangem Stehen in unzureichender Bekleidung bestraft.
Als die Behörden die Aussichtslosigkeit der Bestrafungen erkannten, sei die ganze Gruppe im August 1965 in einer Nacht- und Nebelaktion nach Bautzen in den normalen Strafvollzug verlegt worden, erzählt Bersch. "Diese Geschichte war meines Erachtens ein einmaliger Vorgang in der DDR."
Zur Religionsgemeinschaft der Zeugen Jehovas, bekannt durch ihre Kriegsdienstverweigerung und in der DDR verboten, gehört auch der 1940 in Chemnitz geborene Manfred Ruppert. In einem nicht besonders religiösen Elternhaus aufgewachsen, begann er sich als Medizinstudent in Greifswald mit der Bibel zu beschäftigen und ließ sich 1961 taufen. Wegen Befehlsverweigerung wurde er zu zehn Monaten Haft verurteilt, die er zwischen Juli 1965 und Mai 1966 in Berndshof absaß: Ruppert hatte sich als Bausoldat unter anderem geweigert, einen Schießplatz mitzubauen.
In Berndshof reifte in dem jungen Mann der Entschluss, den Militärdienst grundsätzlich zu verweigern. Das brachte ihm eine erneute Haftstrafe von zwei Jahren und zwei Monaten ein, die er zum Teil auch in Rüdersdorf bei Berlin verbüßen musste.
In der geplanten Publikation zu Berndshof wollen Dirksen und Bersch auch eine biografische Skizze zu Manfred Ruppert nachzeichnen, der heute bei Greifswald lebt und auch zum Häftlingstreffen nach Bützow kommen will. Dort ist am Dienstag eine Gesprächsrunde mit Zeitzeugen geplant.